
Frauen sind keine monolithische Gruppe
đ Der Satz klingt selbstverstĂ€ndlich und doch erinnert er uns daran, dass Feminismus niemals eindimensional sein darf. Schon vor dreiĂig Jahren, in der Beijing Declaration von 1995, wurde diese Einsicht formuliert: Frauen sind keine homogene Gruppe. Ihre Erfahrungen, Chancen und KĂ€mpfe unterscheiden sich je nach Klasse, Hautfarbe, Herkunft, Religion, sexueller Orientierung oder Behinderung. Diese Erkenntnis, die wir heute als intersektionalen Feminismus bezeichnen, war damals revolutionĂ€r. Die Beijing Declaration, verabschiedet von 189 Regierungen, definierte zwölf zentrale Handlungsfelder: Armut, Bildung, Gesundheit, Gewalt, politische Teilhabe, wirtschaftliche UnabhĂ€ngigkeit und mehr. Sie forderte Gleichheit aber nicht im Sinne einer vereinheitlichenden Formel, sondern durch das VerstĂ€ndnis, dass Gleichheit nur möglich ist, wenn die Vielfalt weiblicher LebensrealitĂ€ten anerkannt wird.
âViele Frauen sehen sich zusĂ€tzlichen HĂŒrden beim Genuss ihrer Rechte gegenĂŒber â aufgrund von Faktoren wie Sprache, ethnischer Zugehörigkeit, Kultur, Religion oder Behinderung.â(Beijing Declaration, Absatz 32)
Diese Worte zeigen, wie frĂŒh das Konzept der IntersektionalitĂ€t politisch gedacht wurde, lange bevor der Begriff in den globalen Mainstream gelangte. Sie markierten einen Wendepunkt: weg vom universellen Bild âder Frauâ hin zur Anerkennung vielschichtiger IdentitĂ€ten und Ungleichheiten.
đ Heute, drei Jahrzehnte spĂ€ter, ist IntersektionalitĂ€t zu einem SchlĂŒsselbegriff feministischer Theorie geworden. Doch die Frage bleibt: Wie viel davon ist tatsĂ€chlich Praxis?Noch immer sind viele Frauen, besonders jene, die Mehrfachdiskriminierung erfahren, in Entscheidungsprozessen, FĂŒhrungspositionen und öffentlichen Diskursen unterreprĂ€sentiert.
đ€ Ein wirklich intersektionaler Feminismus bedeutet, zuzuhören auch jenen, deren Erfahrungen unbequem sind oder deren RealitĂ€ten nicht in bestehende Strukturen passen. Es bedeutet, feministische SolidaritĂ€t neu zu denken: nicht als Einigkeit, sondern als Verbundenheit in Vielfalt. DreiĂig Jahre nach Beijing ist diese Vision aktueller denn je. Sie erinnert uns daran, dass Frauenrechte Menschenrechte sind, aber dass der Zugang zu diesen Rechten immer auch von sozialen, kulturellen und ökonomischen Bedingungen abhĂ€ngt. Und vielleicht ist genau das die gröĂte Herausforderung: dafĂŒr zu sorgen, dass IntersektionalitĂ€t nicht nur in ErklĂ€rungen steht, sondern ihren Weg in Gesetze, Institutionen und politische Praxis findet.
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